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Toyota Corolla 2,0 Hybrid GR-S: Bipolare Harmonie

Manche Dinge wollen einfach nicht so recht zusammenpassen, zumindest in der festgefahrenen Denke des abgestumpften Automobiljournalisten. Doch dann macht es umso mehr Freude und Spaß, wenn ein Auto einen wirklich überrascht.

Text: Jakob Stantejsky / Fotos: Eryk Kepski

Bevor der Toyota Corolla 2,0 Hybrid GR-S sich im Testfuhrpark einfand, war eine gewisse Skepsis nicht zu leugnen. Ein Kompaktwagen mit Hybridantrieb klingt an sich ja recht praktisch, richtig vernünftig eben. Passt auch perfekt zu Toyota, die diesseits von GT86 und Supra mittlerweile ganz auf der grünen Welle reiten. Doch gerade deshalb überrascht das aggressive Styling dieses Corolla mitsamt dem Kürzel „GR“ umso mehr und wirft die Frage auf: Kann dieses Auto die Toyota-Philosophie mit dem Gazoo Racing-Anspruch vereinen?

Beim ersten Date stimmt die Chemie. Der Corolla Hybrid GR-S steht schneidiger da als die dezidierten Sportversionen manch anderer Kompakten und überzeugt mit schneidigen Linien und Kanten, ohne in den Zickzack-Irrwitz eines C-HR zu verfallen. Man steht vor einem richtig feschen Wagen, da bekommt man natürlich auch gleich besonders Lust auf die erste Fahrt. Doch zuerst muss eingestiegen werden und hat man erst Platz genommen, überzeugt unser Corolla auch mit seinen inneren Werten. Materialtechnisch passt alles, Hartplastik hält sich in engen Grenzen, das Layout ist simpel und direkt und lobenswerterweise hat Toyota ein paar wenige Tasten auf der Mittelkonsole behalten. Das erleichtert die Bedienung bei voller Fahrt ungemein. Die etwas sportlicher geschnittenen Sitze zeigen den dynamischen Anspruch und verursachen auch nach 600 Kilometern keine Beschwerden, wer allerdings so richtig im Cockpit herumlungern möchte, sollte dennoch zu anderem Gestühl greifen.

Unterm Strich sitzt man einfach gerne im Corolla Hybrid GR-S. Zumindest in der ersten Reihe. Denn auf der Hinterbank sieht es mit der Kniefreiheit erschreckend dürftig aus. Vor allem im Vergleich mit einem zeitgleich in der Redaktion anwesenden Seat Leon, der ziemlich genau gleich lang ist. Und das Gepäck würde wohl auch lieber im Spanier Platz nehmen. Denn aufgrund des Hybridantriebs liegt der Kofferraumboden im Toyota sehr hoch – das kostet eine Menge Raum. Gut, dafür bekommt man auch einen Hybrid, keine Frage. Das soll auch kein Bashing sein, man muss sich einfach nur bewusst machen, dass alles seine Vor- und Nachteile hat. Im Fall des Corolla ist der Platz in Reihe zwei und im Kofferraum allerdings der einzige große Nachteil.

Moment mal, der Einzige? Obwohl der Corolla Hybrid GR-S doch mit einem leidigen CVT auskommen muss? Ein berechtigter Zweifel, schließlich wird das undynamische Gejaule dieser Getriebeform bei uns Europäern nie auf große Gegenliebe stoßen. Auch wir hatten unsere Zweifel, ob sich das mit dem sportlichen Grundcharakter des GR-S verbinden lässt. Und ja, latscht man voll aufs Gas, heult er schon ein wenig. Doch die geniale Überraschung folgt wenig später. Bei Tempo 130 und in Deutschland sogar noch deutlich drüber, meldet sich der Motor mit nur einem Geräusch: Stille. Echt wahr. Abgesehen von dem Abrollgeräusch der Reifen und dem Fahrtwind bewegt sich der Corolla flüsterleise fort, auch wenn man nicht gerade im EV-Modus unterwegs ist. Doch es wird noch besser: Selbst bei 160 km/h schiebt der Verbund aus dem 152 PS starken Vierzylinder-Benziner und den maximal 80 elektrischen Rossen immer noch zügig an – CVT hin oder her. Eine Systemleistung von 180 PS ist ja auch nicht zu verachten und verhilft beim Sprung von null auf hundert zu einer Zeit von 7,9 Sekunden. Dynamik steckt beim Toyota Corolla 2,0 Hybrid GR-S nicht nur im Design, sondern tatsächlich auch in der DNA.

Alles in allem schafft dieser Corolla es wirklich, die Zutaten Hybrid, CVT, Sportlichkeit und Design zu einem schmackhaften Gericht zu machen. Gerade in fahrerischer Hinsicht leistet sich der Japaner auch keinerlei Schwächen, ohne dass er unangenehm hart wird. Das Konzept mit der kleinen Batterie, die zwar nur für wenige Kilometer reicht, aber dafür auch nie geladen werden muss, überzeugt sowieso – oft mehr als diverse Plug-ins, die ohne Steckdose schnell zu übergewichtigen Spritfressern mutieren. Preislich sind Hybride ohnehin nie die geborenen Schnäppchen. Unser reichhaltig ausgestatteter und topmotorisierter Testwagen kommt auf einen Listenpreis von 36.410 Euro, der dank eines Bonus von Toyota derzeit allerdings auf 32.410 Mäuse fällt. Ja, keine kleine Investition, aber ein faires Angebot.

Der Toyota Corolla 2,0 Hybrid GR-S hat es geschafft, uns aus der festgefahrenen Komfortzone zu holen und uns eine überaus positive Überraschung beschert. Wäre schön, das über jeden Testwagen sagen zu können. Aber gerade deshalb wird uns der Kompakthybrid noch lange im Gedächtnis bleiben.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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