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VW Golf Rabbit und Sportsvan: Genies oder Streber?

Genies oder Streber?

VW Golf Rabbit und Sportsvan

Der VW Golf ist hierzulande nicht nur das meistverkaufte Automobil, sondern er steht auch in den Köpfen der Menschen für Beständigkeit und Zuverlässigkeit. Unkenrufe sagen ihm immer wieder Fadesse und Emotionslosigkeit nach, doch die hohe Qualität kann ihm definitiv keiner absprechen, weshalb er auch weiterhin beliebt ist und bleiben wird. Die 40 Jahre Edition des Rabbits und der Sportsvan fanden nun kurz nacheinander ihren Weg in unseren Testfuhrpark und wir gehen der Frage nach, ob die Golfs von Haus aus Genies sind oder sich ihren Erfolg hart erstrebern.

Text: Jakob Stantejsky
Widmen wir uns erst dem Sportsvan, der seinen Insassen und dem Gepäck ein Bisschen mehr Raum gönnt und eben ein echter Kompaktvan ist. Ins Auge fällt natürlich die fesche rostrote Farbe, die dem Golf optisch unheimlich gut tut. Denn weiße, schwarze und vielleicht noch silberne Exemplare sieht man täglich ja tatsächlich zu hunderten jeden Tag über die Straßen düsen. Mit der ungewöhnlichen Farbgebung kommt der Sportsvan gleich deutlich quirliger rüber und bewahrt sich eine gewisse Individualität. Im Innenraum herrscht die Golf-typische effiziente Heimeligkeit. Will heißen, dass alles sehr nett und gemütlich gestaltet ist und die Bedienung sowohl supereasy als auch intuitiv erfolgt, das große Aha-Erlebnis bleibt jedoch aus. Die Verarbeitung ist jedenfalls grundsolide und eignet sich im Verbund mit den Materialien auch perfekt für (oder gegen?) Kleinkinder, die ja so einem Autointerieur oftmals nicht allzuviel Rücksicht zukommen lassen.
Das DSG-Getriebe verrichtet gemeinsam mit dem 115 PS-Diesel einen sanften, unaufgeregten Job und hält sich stets im Hintergrund, bietet aber dennoch ausreichend Kraft. Generell verhält sich die gesamte fahrerische Seite im Golf Sportsvan eher neutral: nicht zu hart, nicht zu weich, nicht zu direkt, nicht zu gefühllos, nicht zu irgendwas – man befindet sich immer am goldenen Mittelweg. Für Extremisten und Emotionalisten bedeutet das zwar Langeweile, aber für den Alltag eignet sich die Mixtur ideal. Platz findet sich im Sportsvan sowieso in rauhen Massen und vor allem deswegen kauft man diesen Golf ja auch. Für verkappte Rennfahrer gibt’s GTI & Co., aber unser Testwagen weiß genau, was seine Kunden wollen und bedient diese Bedürfnisse gekonnt, dank der jahrzehntelangen Erfahrung, die VW mit dem Kompaktwagen mittlerweile sammeln konnte.

In unserem Rabbit 40 Jahre Edition sitzt übrigens derselbe 115 Pferde-Selbstzünder, nur dass wir diesmal manuell im Getriebe herumrühren durften. Das geht auch flott und unzweideutig, so wie man sich das eben wünscht. Verirrungen in den Gassen sind definitiv nicht möglich, die Wege sind angenehm kurz, aber eine Sportschaltung fühlt sich natürlich auch wieder anders an. Aber wieder: Die hat im Golf Rabbit auch nicht wirklich was verloren und warum sollte der Jubiläumshase seinen Kunden etwas aufs Auge drücken, was 99 Prozent davon nicht einmal wollen? Der Motor arbeitet ruhig und souverän, dank des kürzeren Radstandes und des geringeren Gewichts bewegt sich der Rabbit auch freudiger als der Sportsvan.
Wo unser rotes Platzwunder mit Zweckmäßigkeit der allerhöchsten Stufe glänzen konnte, versprüht der grauweiße Rabbit (übrigens eine coole Farbe, die erst in der Sonne so richtig zur Geltung kommt) etwas mehr Jugendfrohsinn. Klar, ein echter Flitzer ist er – zumindest in dieser Motorisierung – auch nicht, aber er lädt schon deutlich mehr zum flotten Kurven ein und scheint sich im Stadtgewusel besonders heimisch zu fühlen. Im Innenraum ähnelt er seinem großen Bruder logischerweise fast schon wie ein eineiiger Zwilling, wenn man mal vom Schalthebel und leichten Unterschieden in der Ausstattung absieht. Ein perfektes Auto für all jene, die nicht allzu viel Platz brauchen und dennoch auf allen Wegen in komfortabler Manier mobil sein wollen, ist der Golf Rabbit 40 auf jeden Fall. Auch hier spürt man die Erfahrung von VW in jedem Bauteil.
Der VW Golf wird oft so hingestellt, als würde ihm alles in den Schoß fallen. Die besten Verkaufszahlen, ein makelloser Ruf in der Bevölkerung und große Zufriedenheit bei den Kunden. Doch manchmal vergessen die Nörgler dabei, dass im Golf eine Menge Entwicklungsarbeit steckt, die vor allem durch Erfahrung mit und von Kunden gesammelt wurde. Der Golf ist somit kein glückliches Genie, das halt eben der Beste und Gescheiteste ist, sondern hat sich die Position an der Spitze mit harter Arbeit erstrebert. Und wenn man ehrlich ist, begehen alldiejenigen, die von VW permanent Veränderung und Revolution für ihren Verkaufsschlager fordern, eine satte Themenverfehlung. Denn ein erfolgreiches Rezept zu ändern wäre einfach blöd. Zugegeben, ein paar neue Gewürze könnte man hin und wieder ausprobieren, aber sowohl der Sportsvan als auch der Rabbit machen ihren Job perfekt. Und sich darüber zu beschweren, ist eigentlich vermessen.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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