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Aston Martin DBX: Der bessere Bentayga?

Jetzt also auch Aston Martin: Weil eine Sportwagenfirma ohne SUV offenbar nicht überlebensfähig ist, wagt sich nun auch James Bonds Hausmarke in die Pampa – aber mit der gebührenden Power! 

 Von Thomas Geiger

Als sportlicher Snob hat man es auch nicht leicht. Eben noch im Vantage oder DB9 über die Rennstrecke gefegt oder den Boulevard gebummelt, und jetzt zwingt einen die familiäre Pflicht in ein Fremdfabrikat. Denn weder zum Einkaufen noch zum Transport des Nachwuchses geschweige denn für gewichtige Hobbies wie Segeln oder Reiten waren die Sportwagen aus Gaydon bislang zu gebrauchen. Doch weil es die Briten leid waren, ihre Kunden – und sei es auch nur zeitweise – in einen Range Rover oder schlimmer noch on einen Bentley Bentayga wechseln zu sehen, wagen sie sich jetzt selbst auf die SUV-Welle und bauen mit dem DBX den ersten Aston, der vollumfänglich für den Alltag taugt. Die Produktion hat bereits begonnen und allen Corona- und Brexit-Querelen zum Trotz kommt der Sportler für die Pampa in diesem Herbst zu Preisen knapp unter 200.000 Euro (D) in den Handel.

Anders als die Konkurrenz entfernt sich Aston Martin damit allerdings nicht ganz so weit von seinen Wurzeln. Denn auch wenn der DBX auf seiner neuen Plattform stolze 5,04 Meter misst und vor allem von hinten eher unkonventionell aussieht, wirkt er flacher und filigraner als ein Bentayga und um Längen eleganter als ein Lamborghini Urus – auch in Feld, Wald und Wiese bewahren die Briten ihren unnachahmlichen Stil.

Selbst wenn der DBX der zierlichste unter den luxuriösen Geländewagen ist, bietet er den Insassen mehr Platz als jeder Aston vor ihm. Vorne steigen jetzt auch hüftlahme Besserverdiener bequem ein und wo der Fond selbst im glücklosen Panamera-Konkurrenten Rapide nur ein schlechtes Alibi für Familienfreunde war, können hier bei 3,06 Metern Radstand auch Kinder sitzen, wenn sie aufs Abitur zugehen. Und bei 632 Litern Kofferraum taugt der DBX auch als Einkaufswagen oder Urlaubsauto.

Dass man den DBX trotzdem nicht mit anderen Familienkutschen vergleichen kann, liegt zum einen an der – nun ja – etwas eigenwilligen Ausstattung. Denn so liebevoll die Leder vernäht sind und so phantasievoll-luxuriös die Zubehör-Pakete für Hundehalter, Jäger oder Angler sind, so altbacken ist das Infotainment: Weil Aston vom Kooperationspartner AMG die vorletzte Generation der Mercedes-Multimedia auftragen muss, fehlt dem DBX jeder Touchscreen, es gibt keine Online-Anbindung und der kleine Bildschirm wirkt wie aus einer Zeit, in der Telefone noch Tasten hatten – das können deutlich billigere Autos sehr viel besser. Und aus Großkonzernen gespeiste Kleinserien-Konkurrenten wie Bentayga, Urus oder der Rolls-Royce Cullinan ohnehin.

Es liegt aber auch am Antrieb, der einmal mehr von Teilhaber AMG kommt. Der vier Liter große V8 aus dem AMG GT leistet bei den Briten 550 PS und 700 Nm und veranstaltet einen Kraftakt, der kultiviert und kolossal zugleich ist: Von den gut 2,2 Tonnen völlig unbeeindruckt, mal flüsterleise und mal brüllend laut, katapultiert er den britannischen Brocken in 4,5 Sekunden auf Tempo 100 und stürmt danach munter weiter bis 291 km/h. Und wer die Briten kennt, der weiß, das da noch nicht Schluss ist.

Kombiniert mit einer ebenfalls aus Affalterbach gelieferten 9-Gang-Automatik, einer Luftfederung und einem halben Dutzend Fahrprogrammen wird der DBX zum bislang  vielseitigsten Modell von Aston Martin. Denn obwohl der Wagen schnell mal 2,5 Tonnen wiegt, kann man mit ihm überraschend flott über den Formel 1 Kurs von Silverstone fegen und dabei dem Allradantrieb zum Trotz sogar ein wenig das Heck kommen lassen, bevor einen die Elektronik wieder auf den Pfad der Tugend zurück führt. Und falls es einen dabei ins Kiesbett trägt, wechselt man einfach in den Offroad-Modus und sucht sich seinen eigenen Weg: Mit aufgebockten Luftfedern und mehr Freigang im Allrad wühlt sich der DBX nämlich überraschend tapfer durch den Dreck und scheut weder den Schlamm auf dem edlen Lack oder noch den Kies in den imposanten 22-Zöllnern.

Aber zugegeben, weder das eine noch das andere wird zum bevorzugten Terrain der avisierten Kundschaft zählen. Sondern vor allem wird sich der DBX in der Stadt bewähren müssen, auf der Autobahn und der Landstraße. Und auch dort macht er seine Sache gut: Denn das Auto ist für ein SUV dieser Größe halbwegs übersichtlich und fährt so flott, wie man es von einem Aston Martin erwartet. Vor allem aber ist der DBX im richtigen Set-Up so komfortabel, dass nicht nur der Fahrer gut Lachen hat, sondern auch die Hinterbänkler nach Stunden noch entspannt aussteigen. Auch so kann man Grand Turismo definieren.

Natürlich lässt sich Aston den Ausflug auf die Buckelpiste teuer bezahlen, steigt ganz selbstbewusst über dem Bentley Bentayga ein und kommt dem Urus überraschend nahe. Doch für die Kundschaft ist das Auto trotzdem ein gutes Geschäft. Schließlich sparen sie sich damit den Range Rover und bekommen Sportwagen und Alltagsauto in einem.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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