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G-Class Experience Center: Das G steht für grotesk

„Das hier hat jetzt eigentlich nichts mit klassischem Offroad-Fahren zu tun,“ sagt Marc Sussner, Chef-Instruktor und Testfahrer der Mercedes G-Klasse. Eigentlich hat das, was Sussner da gerade macht, überhaupt wenig mit Autofahren zu tun.

Text: Maximilian Barcelli

Man würde das Sussner auch gerne sagen. Nur kann man nicht. Lediglich ein kurzes „Mhm“ lässt sich noch auf seine Frage, ob alles okay ist, rauspressen. Das war’s dann aber schon. Mehr geht sich bei dem, was er gerade mit der G-Klasse anstellt, einfach nicht aus. Aber: Was stellt Sussner denn eigentlich an?

Marc Sussner: „Mit klassischem Offroad-Fahren hat das nichts zu tun.“
Motorblock: „Mit Autofahren hat das nichts zu tun.“

Im Grunde das, was wir schon den ganzen Tag gemacht haben: Die Grenzen der G-Klasse ausloten. Also eben das, was geschätzt 99 Prozent der G-Kunden nie tun werden. Da können die Sanddünen in den Emiraten noch so hoch und der Wald in den Staaten noch so verlockend matschig sein, die Besitzer bevorzugen nicht erst seit gestern den Boulevard anstelle der Buckelpiste. Dementsprechend stellt sich die Frage, ob der moderne G überhaupt noch so arg geländetauglich sein muss? Ob man ihn nicht etwas entschärfen könnte, um die Onroad-Performance zu optimieren?

Bei Mercedes stellt diese Frage niemand. Wieso auch? Immerhin hat es die Mannschaft rund um den in Graz produzierten G auch so fertig gebracht, dass sich das Fahrzeug seit der Generalüberholung vor wenigen Jahren auf asphaltierten Straßen wie ein weichgekochtes SUV fährt. Und auch das erlebt man im 2019 eröffneten G Class Experience Center 15 Kilometer südlich der steirischen Landeshauptstadt. Wir waren dort.

45 Grad? Kein Problem! Die G-Klasse kann sogar stehen bleiben und retour hinauffahren.

Auf vier Stationen können Kunden und Fans hier die G-Klasse erfahren, bevor einem dann im Grande Finale mit Nachdruck bewiesen wird, was so ein G wirklich kann, wenn er von geschulten Händen und Füßen manövriert wird (und nicht von solchen Waschlappen wie uns). Zum Beispiel eine hundertprozentige Steigung bezwingen – im Retourgang. Oder eben von Marc Sussner durch den Wald geprügelt werden. 

Dort, wo man eben noch mit 10 km/h dahin schlich, einen Felsen nach dem anderen in Angriff nahm und durch so tiefen Schlamm fuhr, dass man die Tür nicht aufmachen sollte, rast der erfahrene Instruktor nun mit einem Tempo durch, das man nicht für möglich gehalten hat. Die Bäume fliegen nur so vorbei, die G-Klasse geht quer und sie hebt ab. Noch nie haben sich 50 oder 60 km/h (oder auch mehr: die Zeit, das Tacho zu checken, war spärlich gesät) so schnell angefühlt. So: viel zu schnell. Hier bekommt man einen Eindruck, wie sich der Schöckl-Downhill anfühlen muss. Es ist ein gewaltiger Eindruck.

Da kann selbst die brachiale Beschleunigung des Mercedes-AMG G 63 nicht mithalten. Auch die erlebt man im Zuge eines Besuchs des G-Class Experience Centers – anders als das hundertprozentige Gefälle und diese absurde Waldfahrt sitzt man aber selbst am Steuer. Vom Slalomparkour geht’s über ein Elchtest-ähnliches Ausweichmanöver bis hin zur Schleuderplatte. Klar spürst du das Gewicht auf den Bremsen und natürlich pickt die G-Klasse nicht wie ein AMG GLC am Asphalt, doch was aus dem Geländewagen von Daimler geworden ist, verblüfft durchaus; nämlich ein richtiger PKW.

Neben den zwei Onroad-Testmodulen mit dem 575 PS starken G 63 und dem natürlichen Offroad-Bereich im Wald, hat man auch einen Hügel aufgeschüttet und ihn G-Rock getauft. Der lässt sich mit der G-Klasse auf verschiedenen Untergründen und Steigungen bezwingen. Je nach Gripniveau kommen dabei alle drei Differentialsperren zum Einsatz. Mehr furchteinflößend – zumindest aus subjektiver Sicht – als die ohnehin spektakulären Steigungen sind aber die Schrägfahrten: Bis zu 35 Grad sollen möglich sein, wir haben 33 geschafft und ganz ehrlich: Das hat schon gereicht.  

„Danke, reicht.“

Überhaupt geht dir „das reicht jetzt aber schon“ relativ häufig durch den Kopf. Ob während der Wasserdurchfahrt (70 Zentimeter), den Steigungen, Schrägfahrten oder dieser absurden Taxifahrt: Der Adrenalinpegel bleibt auf hohem Niveau, der Ruhepuls ist alles andere als ruhig. Und das ist auch gut so. Hier wird dem Kunden keine Semi-Gelände-Erfahrung geboten. Hier wird das Potential der G-Klasse komplett ausgeschöpft. Was wohl nicht nur Enthusiasten, sondern auch Besitzer anlocken dürfte: Der Einstiegspreis der Mercedes G-Klasse liegt immerhin deutlich im sechsstelligen Bereich. Da wäre es echt schade, die Felge zu beleidigen. Oder – Gott behüte – eine Schramme ins Blech zu fahren. 

Nicht nur die Offroad-Testfahrten waren (im positiven Sinne) holprig, der Start des G-Class Experience Centers war es ebenso. Im November 2019 feierlich eröffnet, musste es schon wenige Zeit später wieder schließen – das Coronavirus wütete um sich. Nun hat man das Areal wieder samt ausgeklügeltem Hygiene-Konzept geöffnet, der Start lief gut, man sei auf viele Monate hinweg ausgebucht. Nur ganz so international, wie man sich das vorgestellt hat, ist das Publikum bisweilen noch nicht: Die Flugverbindungen nach Graz sind wie generell Reisen von außerhalb der EU in diese noch – sagen wir einmal: schwierig. Kleiner Tipp also für Autoanreisende (was laut Mercedes der größte Teil der Teilnehmer sind): Die Südsteirische Weinstraße ist nicht fern. Und ein Achterl beim Buschenschank korrigiert auch den Adrenalinspiegel sowie den Puls auf ein medizinisch vertretbares Niveau.

Maximilian Barcelli

Bei 7.000 Touren beginnt der Spaß für den mehr begeisterten denn begnadeten Autofahrer.

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