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Hummer EV: Jurassic Park trifft Star Wars

I’ll be back – nicht nur Arnold Schwarzenegger hat uns ein Wiedersehen versprochen, sondern jetzt feiert auch des Terminators Lieblingsauto ein Comeback. Denn nach rund einem Jahrzehnt Pause bringt General Motels jetzt zu Preisen ab zunächst rund 110.000 Dollar den Hummer zurück – und zwar politisch korrekt und halbwegs sozialverträglich als Elektroauto.

Und natürlich denkt dabei in Detroit niemand mehr an das Militär oder gar den Krieg am Golf, in dem der Hummer mit weltweiter TV-Präsenz zum Action Hero der Großstadtmillionäre und Nachtschatten-Gewächse aufgestiegen ist. Sondern vor allem haben sie bei General Motors die Freizeitgesellschaft im Sinn und das Ringen mit dem Rivian, dem Ford F-150 Lightning, demnächst der elektrischen Mercedes G-Klasse und irgendwann vielleicht einmal dem Tesla Cybertruck, wenn der es tatsächlich noch in Produktion schafft. 

Genau wie damals beim Original sprengt General Motors auch diesmal wieder alle Vorstellungen. Zwar hat man sich an das Format mittlerweile gewöhnt, selbst wenn der Hummer mit seinem mehr als zwei Metern Breite und bald sechs Metern Länge noch immer ein gewaltiges Trumm ist. Und beim Design wagt es GM erst gar nicht, den Dinosaurier zu modernisieren und schraubt als einzigen Tribut an die neue Zeit ein LED-Band mit dem Hummer-Schriftzug in den breiten Kunsstoffkühler. 

Doch dafür schlagen die Amerikaner diesmal unter dem Blech über alle Stränge: Nicht nur, dass sie in die First Edition vorne einen und hinten zwei Motoren mit zusammen ziemlich genau 1.000 PS und mehr als 1.600 Nm einbauen, bevor sie den Preis erst mit einem 830 PS starken Tri-Motor-Antrieb und dann mit einer 625 PS starken Zweimotor-Version auf gute 80.000 Dollar drücken. Sondern um diesem Kraftpaket auch den nötigen Saft zu liefern, haben sie wie die Fleischlaberl bei einem Big Mac gleich auch noch zwei Batteriepakete übereinander in den Boden gepackt. Zusammen über 210 kWh machen das allein 900 Kilo schwere Paket zum stärksten Akku, der aktuell in einem Wagen verbaut ist, den man zumindest noch halbwegs als Pkw klassifizieren kann. Größere Batterien haben aktuell allenfalls Lastwagen. 

Aber die großen Akkus braucht der Hummer auch. Denn selbst mit dem Rekordspeicher sind nicht viel mehr als 500 Kilometer drin. Und damit der große Akku nicht endlos laden muss , wird auch bei der Ladegeschwindigkeit nicht gekleckert, sondern geklotzt und dafür die Betriebsspannung kurzfristig sogar auf 800 Volt verdoppelt. Mit dann bis zu 350  KW saugt sich der Hummer binnen zehn Minuten den Strom für 160 Kilometer aus der Leitung. Dumm nur, dass es so schnelle Ladesäulen in den USA nur selten gibt, erst recht nicht in der Wildnis. Auch deshalb hat GM eine Mobile Brennstoffzelle entwickelt, die man zusammen mit ein paar Flaschen Wasserstoff auf dem Anhänger ins Camp ziehen und dort seinen Hummer mit bis zu 90 kW zumindest während des BBQ wieder vollladen kann.

Aber bevor wir übers Laden reden, müssen wir übers Fahren reden. Und das  ist faszinierender als in jedem Ferrari – den der Hummer nämlich locker abhängt. Wer auf griffigem Grund steht, den als Antwort auf Tesla Ludicrous-Mode programmierten WTF-Betrieb aktiviert (Nein, nicht was Sie jetzt denken. Die Abkürzung steht für Watts to Freedom) und den Fuß aufs Fahrpedal hämmert, der traut seinen Sinnen nicht: Von jetzt auf sofort wird der Hummer vom gemütlichen Giganten zum wild gewordenen Nashorn und schleudert seine drei Tonnen mit so einer Macht dem Horizont entgegen, dass sich die Insassen fühlen, als wären sie vom Blitz getroffen: 0 auf 100 in drei Sekunden – was einem schon in einem Sportwagen schwer beeindruckt, das raubt einen mit diesem Koloss den Verstand. 

Aber natürlich ist der Pick-up, dem später genau wie bei Rivian noch ein Truck mit geschlossener Kabine folgen soll, nicht für den Dragstrip gemacht, und viel mehr als 160 Sachen werden beim Kickdown auf Dauer auch nicht drin sein. Sondern zu Hause ist der Hummer im Dreck – und auch dort wühlt er sich mit über 40 Zentimetern Bodenfreiheit und 80 Zentimetern Wattiefe besser durch als alle Konkurrenten. Steigungen sind für ihn nur ein schlechter Scherz, der Matsch kann für die Trekkingreifen auf den bis zu 24 Zoll großen Felgen gar nicht tief genug sein, und wo dem Riesen sein Format hinderlich sein könnte, hilf ihm die Allradlenkung weiter – schräger Krebsgang inklusive.

All das verfolgt der Fahrer auf zwei riesigen Bildschirmen, die mit einem halben Dutzend Kameras gekoppelt sind, für die GM sogar eigene Waschanlagen entwickelt hat, damit man im Dreck nicht den Durchblick verliert. Denn so kantig und klassisch der Hummer von außen aussieht, so modern will er drinnen sein und hat deshalb natürlich digitale Instrumente, einen Touchscreen größer als bei einem Laptop und das modernste Infotainment. Selbst den Autopiloten “super cruise” haben sie eingebaut, so dass der Hummer meilenweit über den Highway kreuzen kann, während der Fahrer getrost die Hand in den Schoß legen darf. 

Nur passieren wird das natürlich nicht oft, weil der Hummer fürs Abseits gebaut ist und nicht nur für den Alltag. Auf den bislang rund 200.000 entsprechend digitalisierten Highway-Kilometern wird man ihn deshalb wohl seltener sehen als im High Country, in der Wüste oder in der Wildnis. 

Und was ist mit uns Europäern? Offiziell gibt es für den elektrischen Hummer (noch) keine Export-Pläne. Aber genau wie Rivian beim R1T oder Ford beim F-150 Lightning öffnet die Elektromobilität natürlich Türen, die sonst von CO2-Grenzwerten und der sozialen Verantwortung der Hersteller verschlossen waren. Strafsteuern sind dafür ausgeschlossen und mal abgesehen von der Ressourcenverschwendung beim Bau des Autos muss zumindest beim Betrieb kein Kunde ein schlechtes Gewissen haben. Während ein neuer Hummer mit alter Technik chancenlos gewesen wäre, könnte der amerikanische Blockbusteer im Wechselspiel zwischen Jurassic Park und Star Wars durchaus eine europäische Fortsetzung bekommen. 

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