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CityTransformer: Auf schmaler Spur

Er ist cleverer als der Smart, komfortabler als ein Renault Twizy und fährt besser als der Opel Rocks-e – und er hat das Zeug, nicht nur sich selbst, sondern auch den Stadtverkehr zu verändern. Denn wenn der israelische Tausendsassa Asaf Formoza in den nächsten zwei Jahren tatsächlich seinen CityTransformer zur Serienreife bringt, wird der gerade mal 2,50 Meter kurze Zweisitzer das erste Fahrzeug mit variabler Spurweite.

Beim Fahren immerhin 1,40 Meter breit, entsprechend stabil und deshalb auch entsprechend flott, genügt bei langsamer Fahrt ein längerer Druck auf einen Schalter am Lenkrad, schon knarzt und knistert es ein bisschen im Unterboden, Räder und Kotflügel fahren ein, und der Citytransformer macht sich so dünne, dass er nicht mehr Platz braucht als ein Motorroller: Jetzt nur noch einen Meter breit, surrt er durch die engsten Gassen und findet sogar dort noch einen Parkplatz, wo selbst Smart-Fahrer entnervt abdrehen müssen.

„Damit vereinen wir das Beste aus gleich mehreren Welten“, schwärmt der 48-jährige Formoza, der sich sein Studium mit einer Dating-App verdient und danach als Dozent für Maschinenbau gearbeitet hat, mit Blick auf andere Leichtkraftwagen aus der Kategorie L7e. Denn die sind nicht nur allesamt sehr viel spartanischer ausgestattet als der CityTransformer, der neben Klimaanlage, Rückfahrkamera und elektrischen Fensterhebern auch Airbags und ESP bekommen soll, vom Tablet mit Touchscreen-Navigation ganz zu schweigen. Sondern mit breiter Spur fährt er stabiler als der Twizy und flotter als ein Rocks-E und mit schlanker Spur lässt er sich viel leichter abstellen – nicht umsonst passen auf einen Normparkplatz gleich vier CityTransformer. Und was dem Schmalspur-Smart zum Roller oder gar zum Motorrad an Fahrspaß und Dolce Vita fehlen mag, das macht er mit seinem serienmäßigen Wetterschutz wieder wett – selbst wenn er deshalb ein bisschen aussieht wie ein längs halbierter Smart. 

Auch wenn das Konzept neu und ungewöhnlich ist, fühlt sich der Citytransformer bei der ersten Testfahrt schon ziemlich ausgereift und vor allem selbstverständlich an: Ganz ungeniert dreht man die Türen platzsparend seitlich nach oben und gleitet hinter das kleine Lenkrad. Schnell die Füße in die tiefe Garage über den Pedalen sortiert, das Drehrad auf „D“ gestellt, und schon surrt der Kabinenroller der Neuzeit davon und lässt sich weder von Bordsteinkanten beeindrucken noch vom schlechten Kopfsteinpflaster rund um den Think-Tank, in dem Formoza für seine Münchner Zeit Quartier bezogen hat. Und während das Taxi mit Formozas nächsten Gästen mühsam rangieren muss im Innenhof, fährt der CityTransformer bei einem Wendekreis von 8,50 Metern Kringel um die Kleinwagen vor der Tiefgarage und huscht flott durch die Passagen zwischen den einzelnen Gebäudekomplexen. „Hat Formoza nicht eben noch davon geschwärmt, dass der Citytransformer sogar in den Aufzug passt?“, lässt man das Interview Revue passieren und steht in Gedanken schon drinnen im Flur – wenn nur nicht die blöde Drehtür zum Foyer den Weg blockieren würde.

Also doch raus auf die Straße und rein in den fließenden Verkehr: Weil der Scheibletten-Smart noch auf schmal steht, kappt die Elektronik den Vortrieb. Doch es dauert nur zwei Sekunden, dann surren die Räder und die Kotflügel aus der Skateboard-Plattform, der Citytransformer macht sich breit und die Tempobremse wird aufgehoben: Wer sich im Rocks-e noch von Lastern oder Bussen bedrängt fühlt und alle anderen Verkehrsteilnehmer ausbremst, schwimmt jetzt locker mit oder fährt mit ein bisschen Wagemut auch vorneweg. Selbst die Stadtautobahn wäre jetzt drin und auf Wunsch natürlich auch eine Landpartie. Und wo andere hinter den Kurierlastern in der zweiten stehen bleiben und auf eine Lücke im Gegenverkehr warten müssen, macht sich der Citytransformer auf Knopfdruck wieder dünne und schlüpft ohne Pause durch die Engstelle.

Den Antrieb übernehmen zwei E-Motoren von jeweils 7,5 kW an der Hinterachse, die aus einem 14 kWh großen Akku gespeist werden. Das reicht für einen Sprintwert von 0 auf 50 km/h in fünf Sekunden, für bis zu 45 km/h im Slimfast-Modus und für 90 km/h bei voller Breite und für bis zu 180 Kilometer. Wenn Formozas Statistiken stimmen und der Städter tatsächlich weniger als 30 Kilometer am Tag auf Achse ist, müsste der Citytransformer demnach nur einmal die Woche für 3,5 Stunden an die Steckdose. Oder man hält für einen Cappuccino am DC-Lader. Denn dort ist die Batterie schon nach 30 Minuten wieder voll, rechnet der Firmenchef vor. 

Zwar hat Formoza nicht nur ein imposantes Gremium an Experten und Mitstreitern zusammengetrommelt, zu dem auch Smart-Erfinder und Daimler-Designer Johann Tomforde zählt, hat bereits 20 Millionen Dollar eingesammelt und beim bayerischen Ingenieurdienstleister Roding zwei überraschend reife Prototypen aufbauen lassen, mit denen er aktuell in München unterwegs ist. Doch weiß der israelische Düsentrieb, dass der CityTransformer noch einen weiten Weg hat. Mindestens 50 Millionen Dollar wird er noch einsammeln müssen, bevor er die Firma an die Börse bringen und über eine Serienproduktion bei einem europäischen Partner nachdenken kann, der idealerweise schon andere L7e-Fahrzeuge baut und ihm ab 2025 zunächst mal 15.000 CityTransformer pro Jahr auf die Räder stellt. 

Von solchen Einschränkungen lässt sich Formoza allerdings in seinem Enthusiasmus nicht bremsen und auch nicht in seiner Zuversicht. Nicht umsonst nimmt er auf seiner Website schein eifrig Vorbestellungen entgegen und lockt dabei mit einem großzügigen Rabat: Wer jetzt 150 Euro anzahlt, bekommt den City Transformer für 12.500 Euro, alle anderen müssen später 16.000 Euro bezahlen. Allerdings hat er nicht nur genervte Großstädter im Sinn, die endlich stressfrei parken wollen. Sondern es wird statt der Version mit dem allenfalls kindertauglichen Notsitz hinter dem Fahrer auch eine gewerbliche Version für City-Kuriere oder Pizza-Flitzer geben, und natürlich auch eine abgespeckte Variante für Sharing-Flotten. 

Ja, das Konzept ist aufwändig, und der Zusatznutzen der variablen Spurweite nur eingeschränkt, weil der Reiz des CityTranformers außerhalb der Stadt rapide nachlassen dürfte, und es innerhalb der Stadt mit schmaler Spur und reduziertem Tempo auch getan wäre. Doch kommt das Vehikel zu einer Zeit, in der solche Konzepte nötiger sind denn je, glaubt Formoza. Denn schon jetzt platzen unsere Städte aus allen Nähten und alle Studien zeigen, dass die Landflucht weiter zunehmen wird. Mit dieser Überzeugung ist der Israeli offenbar nicht alleine. Nicht umsonst bestimmen seit Monaten neue Micromobile, die sich die erleichterten Zulassungvorschriften der Fahrzeugklasse L7e zu eigen machen, die Schlagzeilen. Aus der Schweiz kommt der Microlino als charmante Neuinterpretation der Isetta, aus Rüsselsheim der von der Markenschwester Citroen gekaperte Opel Rocks-e und aus Paris nach wie vor der Renault Twizy, der beim Renault-eigenen Mobilitätsdienstleister Mobilize bald einen Nachfolger bekommen soll. Nur ausgerechnet der Smart Fortwo, vor bald 25 Jahren mal die Initialzündung für das intelligente Stadtfahrzeug und nicht umsonst als MicroCompactCar erfunden, steht kurz vor dem Aus und feiert sein Comeback als ausgewachsenes Kompakt-SUV von fast 4,30 Metern. 

Dabei ist es doch genau dieses überbordende Wachstum, das allen Micro-Mobilisten gegen den Strich geht. Denn egal ob man nun mit Microlino-Chef Wim Ouboter spricht oder mit Asaf Formoza, sie alle schimpfen über das Übermaß, das unsere Autos heute haben:  Fünf Meter Platz und zwei Tonnen Stahl zu verschwenden, um einen Menschen 30 Kilometer von der Arbeit uns Büro und wieder zurück zu karren, das steht in keinem Verhältnis, schimpfen die Reformer – und die Umstellung auf den E-Antrieb alleine mag zwar die Emissionen vermeiden oder zumindest verlagern, löst aber das Platzproblem in den Städten nicht, keilt Formoza gegen Tesla & Co.

Allerdings weiß auch Citytransformer Formoza, dass ein schlankes Fahrzeug allein der Rushhour auch nicht den Schrecken nehmen wird. Denn zumindest legal kommt der CityTransformer im Stau auch nicht schneller voran, als ein Smart oder ein Twingo. Doch erstens hofft er auf die normative Kraft des Faktischen und nimmt seinen Kunden das gleiche Recht heraus, mit dem Scooterfahrer schon heute meist ungeahndet im Slalom durch die Rushhour surfen. Und zweitens hofft er darauf, dass die Städte ein Einsehen haben und Schmalspurfahrzeugen wie seinem bald eigene Spuren freimachen oder ihnen zumindest die Busspuren öffnen werden. „Und selbst wenn das alles nicht in jeder Stadt zur gleichen Zeit gelingt, bleibt immer noch der Vorteil des Parkens“, sagt Formoza und sieht schon darin Grund genug, künftig auf schlankem Fuß durch die Stadt zu surren: Denn wenn andere noch in ihrem SUV um den Block kurven und einen Stellplatz für ihren Koloss suchen, sitzt der Fahrer des CityTransformers schon im Straßencafé und gibt dort das Geld aus, das Autofahrer in die Parkuhr stopfen.

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