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Streitgespräch: Verdient der Jaguar I-Pace den Car of the Year-Award?

Barcelli gegen Stantejsky

Streitgespräch: Verdient der Jaguar I-Pace den Car of the Year-Award?

Die Gemüter waren in der Mittagspause aufgeheizt. Was weniger am „großartigen“ Wetter lag, sonder mehr an der Diskussion zwischen Kollege Stantejsky und mir. Das Thema: Der Jaguar I-Pace. Und ob er den Car of the Year-Award 2019 tatsächlich verdient. Grundsätzlich sind wir beide Fans der Elektro-Raubkatze, der Stantejsky ein bisserl mehr als ich. Und er sieht auch ein, warum dieser prestigeträchtige Preis an den surrenden Briten ging – im Gegensatz zu mir. Wieso?

Jakob Stantejsky: Weil der Jaguar I-Pace unter allen finalen Kandidaten die spannendste Neuentwicklung war. Das Infotainmentsystem MBUX samt hervorragender Sprachsteuerung aus der A-Klasse ist zwar super, aber doch nur ein Infotainmentsystem. Der Peugeot 508 ist zwar wunderschön, aber sonst nicht wahnsinnig innovativ. Die Alpine ist richtig leiwand, aber nur weil Renault einen Klassiker wiederbelebt, muss man den nicht sofort zum Auto des Jahres küren – denn Sportwagen gibt es viele. Der I-Pace jedoch, der ist das allererste Luxuselektroauto eines traditionellen Herstellers. Damit allein hat Jaguar einen entschiedenen Schritt in die richtige Richtung gesetzt. Dass man das Auto außerdem völlig eigenständig entwickelt hat, demonstriert das große Vertrauen in die Technologie. Tesla baut so ähnliche Autos zwar schon länger, aber im Jaguar I-Pace finden Tradition und Fortschritt erstmals wirklich stimmig zueinander. Denn dass hinter dem I-Pace Köpfe stecken, die über eine jahrzehntelange Erfahrung verfügen, merkt man dem Auto auch verdammt positiv an.
Maximilian Barcelli: Also erstens: Ob Elektromobilität tatsächlich die richtige Richtung ist, darüber lässt sich streiten. Der Strom kommt nicht aus der Steckdose und Lithium-Ionen-Batterien wachsen nicht auf Bäumen. Aber selbst wenn die E-Autos unseren schönen Planeten retten werden (oder, realistisch gesehen, ihn zumindest weniger verpesten), stellt sich mir doch die Frage, warum der I-Pace 2019 Auto des Jahres geworden ist. 2012, klar, da wäre er ein Vorreiter gewesen. Doch da gab es ihn noch nicht. Da gab’s nur Tesla, die schon damals Reichweiten über 500 Kilometer nach NEFZ verbuchen konnten. Und nein, ich bin kein Tesla-Jünger. Aber, bei all der berechtigten Kritik an der Marke, darf man sich schon fragen, weshalb das Model S beim Car of the Year-Award bisweilen immer leer ausging, der Jaguar gut sieben Jahre später aber gewählt wurde. Und zu deiner Demontage der Konkurrenz: Die Alpine bietet hochkomplexe Leichtbau- und Mittelmotor-Technik für (relativ gesehen) wenig Geld. Die A-Klasse führt eine Sprachsteuerung ein, die man bisweilen nur von Smartphones kannte und ein großer Sprung in Sachen sicherer, intuitiver Infotainmentsteuerung. Der 508 lässt eine totgeglaubte Fahrzeugklasse wieder aufleben – und das sehr sexy. Und dass es ein genialer Suzuki Jimny nicht einmal in die letzte Runde geschafft hat, ist sowieso unverständlich.
JS: Den letzten Satz hätte ich an deiner Stelle nicht geschrieben. Denn jetzt laufen wir Gefahr, nur mehr über den neuen Jimny zu schreiben, der einfach eine unglaublich geniale Schüssel ist. Da gibt’s keine zwei Meinungen! Aber egal jetzt, zurück zum Thema. Wieso Tesla nie den Titel erobern konnte, ist tatsächlich eine gute Frage. Klar, Elektromobilität (die ich übrigens auch überhaupt nicht zum Allheilmittel erklären will) hat Jaguar definitiv nicht erfunden. Aber Tesla hat es so rein stimmungstechnisch nie geschafft, Elektroautos vollends salonfähig zu machen. Dafür gibt es zu viele Menschen, die allein schon beim Namen verächtlich die Nase rümpfen. Diese Pauschalurteile sind natürlich Blödsinn, aber bestimmen die öffentliche Meinung eben mit. Beim I-Pace zeigt sich hingegen jeder, mit dem ich gesprochen habe, vollauf begeistert. Scheinbar haben die Leute dieses Auto gebraucht, um zu checken, dass Elektromobilität kein Widerspruch zum Autofahren ist, wie sie es lieben. Denn der I-Pace ist in jeder Lebenslage hundert Prozent Jaguar – nur eben in leise. Trotz 2,3 Tonnen Gesamtgewicht fährt er sich deshalb wie ein Kurvenjäger. E-Autos können eben doch auch abseits vom Drag Strip sportlich sein.
MB: Tesla stellt 2018 mit dem Model 3 das meistverkaufte Elektroauto der Welt – soll aber E-Mobilität nicht salonfähig gemacht haben? Allein von Januar bis März dieses Jahres wurden in Österreich 935 Teslas neu zugelassen, während Jaguar bei 294 Neuzulassungen steht. Klar, die schon lange erwarteten Model 3 werden gerade ausgeliefert – Punkt für Jaguar. Dafür bieten die Briten eine viel breitgefächerte Fahrzeugpalette, in der die meisten mit Verbrenner fahren – Punkt für Tesla. Es darf auch nicht vergessen werden, dass der Elektroanteil am gesamten Fahrzeugbestand hierzulande nur 0,4 Prozent ausmacht – noch ein Punkt für Tesla. Mal abgesehen davon bin ich nicht der Meinung, dass ein Fahrzeug, das bei fast 80.000 dotiert ist, auch nur irgendetwas salonfähig macht. Das klingt jetzt alles so, als würde ich den Jaguar I-Pace hassen. Tu ich nicht, ich finde ihn eigentlich ziemlich fein. Dem Award will ich der Elektrokatze auch nicht absprechen – nur die Unlogik aufzeigen, dass ein Tesla bis dato preislos blieb. Die Erklärungen von der Jury sind teilweise auch nicht aufschlussreicher: “I’ll remember I-Pace as the first BEV which showed us what an electric car can really do.” Noch nie ein Tesla Model S gefahren? Oder, noch besser: „The very first premium full-electric SUV to arrive in the market […]“. Das allererste, vollelektrische Premium-SUV also … Und was deinen letzten Punkt angeht: Ein über zwei Tonnen schweres SUV ist KEIN Kurvenjäger. (Auch, wenn der Jaguar unter den zwei Tonnen schweren SUVs zugegebenermaßen einer ist. Davon hab ich mich schon am Red Bull Ring überzeugen dürfen.)
JS: Ehrlich gesagt weiß ich auch nicht, was sich die Jury mit diesen Aussagen gedacht hat – denn die sind wirklich schlicht und ergreifend unwahr. Denn auch wenn Tesla vor allem in Punkto Verarbeitungsqualität immer wieder einstecken muss, als Premium-Elektrofahrzeuge sind die Amerikaner dennoch zu bezeichnen. Im Geiste Herbert Prohaskas sag ich amal so: Unter den Finalisten dieses Jahres sehe auch ich den Jaguar I-Pace als glasklaren Sieger, – auch, weil ich das Auto ganz subjektiv ganz klasse finde – aber wieso Tesla schlichtweg ignoriert wurde und wird, ist durchaus unverständlich. Aber vielleicht ändert sich die Wertschätzung von Elektroautos ja jetzt, wo das allererste, vollelektrische Premium-SUV in Europa angekommen ist …

Maximilian Barcelli

Bei 7.000 Touren beginnt der Spaß für den mehr begeisterten denn begnadeten Autofahrer.

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